Worte aus dem aktuellen Gemeindebrief Ausgabe 1. 2025
“Wir hatten eine gute Zeit“
Am 13. Oktober 2024 fand in der St. Marienkirche in Penzlin ein ganz besonderer Festgottesdienst statt, in dem Pastor Hartmuth Reincke nach 38 Jahren treuen Dienstes in den Ruhestand verabschiedet wurde. Die Stadtkirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, als die Gemeinde, Pastoren aus den Nachbargemeinden, die Pröpstin, Vertreter aus den Partnergemeinden und viele weitere Gäste aus nah und fern zusammenkamen, um sich von ihrem langjährigen „Hirten“ zu verabschieden. Der Gottesdienst war ein bewegendes Ereignis, das sowohl die Bedeutung von Pastor Reincke für die Gemeinde als auch die tiefe Dankbarkeit der Menschen ihm gegenüber widerspiegelte. Der Gottesdienst wurde durch den Kirchenchor, den Posaunenchor, den Extrachor, Torsten Harder mit seinem Cello und den Kita-Kindern festlich untermalt. Die Musik verstärkte die emotionale Bedeutung des Abschieds und die tiefe Verbundenheit zwischen Hartmuth Reincke und der Kirchengemeinde.
Mit seiner Predigt der besonderen Art brachte er die Gemeinde in der Stunde des Wehmuts zum Lachen. Besonders bewegend war die Rede der Pröpstin Britta Carstensen aus Neustrelitz, die den Pastor für seine jahrzehntelange treue Arbeit würdigte. In ihren Worten hob sie das unermüdliche Engagement und die Bedeutung seines Einsatzes für die Gemeinde hervor und betonte, wie sehr er die Seelsorge und das Gemeindeleben in Penzlin geprägt hatte. Sie sprach von seiner tiefen Weisheit, seiner Hingabe, seinem Mitgefühl und seiner Verbundenheit zu den Menschen in der Gemeinde, die er stets mit Herz und Seele in allen Lebenslagen begleitet hatte.
Zum Abschluss des Gottesdienstes entpflichtete die Pröpstin Pastor Reincke von seinen Diensten.
Die feierlichen Klänge eines Dudelsacks begleiteten den Auszug aus der Kirche.
Im Anschluss an den Gottesdienst fanden sich die Gäste zu einem Sektempfang zusammen, bei dem sie sich austauschen und auf die 38 Jahre anstoßen konnten. In Grußworten brachten Anwesende ihre Dankbarkeit und Wertschätzung für die lange Dienstzeit bei unserem Pastor zum Ausdruck. Der Bürgermeister der Stadt Penzlin, Sven Flechner, zeichnete den Pastor mit der Voß – Ehrung aus, und bedankte sich für seinen außergewöhnlichen Einsatz für die Stadt und die Gemeinde. Auch der Förderverein „Alte Burg“ e.V. brachte seine Dankbarkeit mit einer kleinen Darbietung zum Ausdruck. Dieser Moment der Anerkennung zeigte, wie sehr Hartmuth Reincke in der Stadt verwurzelt war und wie nachhaltig sein Wirken die Gemeinschaft geprägt hatte. Der Abend klang in der Begegnungsstätte unter anderem mit den Gästen der Partnergemeinden bei einem gemütlichen Beisammensein und persönlichen Gesprächen aus. Der 13. Oktober 2024 war also nicht nur ein Abschiedstag, sondern auch ein Tag der Dankbarkeit, des Rückblicks und des Ausblicks. Pastor Reincke hinterlässt eine lebendige und starke Gemeinde, die durch seine Arbeit über Jahrzehnte hinweg geprägt wurde. Für die Gemeinde war es ein Moment des Gedenkens an all das Gute, das durch ihren Pastor geschaffen wurde, und zugleich ein Blick in eine Zukunft, die von der gemeinsamen Grundlage des Glaubens getragen wird.
Predigt 20.Sonntag nach Trinitatis 13.Oktober 2023
Einige werden heute aufatmen: Nu is hei endlich weg, de olle Sturkopp. Vielleicht weniger in der Gemeinde, so hoffe ich, als darüber hinaus. Aber mancher hat ja lange darauf warten müssen. 38 Jahre in einer Gemeinde sind eine lange Zeit, und viele kennen keinen anderen Pastor in Penzlin als mich. Die, denen ich nicht gerecht geworden bin in den Jahren, die ich verletzt oder gekränkt, in ihrem Glauben unsicher gemacht oder gar dazu gebracht habe, sich von der Kirche abzuwenden, bitte ich um Vergebung. Vielen anderen, die mir in den Jahren zur Seite standen, die mitarbeiteten und mich unterstützten, danke ich herzlich.
38 Jahre in einer Gemeinde als Pastor ist eine lange Zeit: als Predigender in vielen Gottesdiensten, als Seelsorger, Konfirmator, Begleiter an den Wendepunkten und in den Wechselfällen des Lebens, als Besucher, Zuhörer, gemeinsam Suchender im Wort Gottes, als Mitbruder und Freund. Aber da ist auch noch viel mehr: Arbeitgeber, zu einiger Zeit von mehr als achtzig Mitarbeitenden, Bauherr oder Bausachverständiger. Ich galt als Fachmann in Finanzfragen, war Vorsitzender oder Geschäftsführer verschiedener Gruppen und Gremien der Kirche, wobei mir die Ökumene, die Konfessionskunde, die Partnerschaftsarbeit und die Vertretung der Pastorenschaft am meisten am Herzen lag. Da war ich friedensbewegt und oppositionell und jemand, gegen den die Stasi einen operativen Vorgang einleiten musste, und dann Stadtvertreter. Ich war Märchenprinz, der Penzlin wachküssen sollte, und das tapfere Schneiderlein. Ich war Don Quichotte, der gegen Windmühlen kämpfte, aber nicht gegen Windräder. Ich war reitender Bote, der gute Nachricht bringt, und Alchimist, der immer wieder vergeblich versuchte, Gold zu machen.
Da habe ich bei einer Konfirmationsfeier auch mal Fußball gespielt, bei einem Gemeindefest eine Zigarre angesteckt. Und bei vielen anderen Gelegenheiten auch einen Schnaps mitgetrunken. Und noch viel mehr.
Einiges aber war ich auch nicht: Vortänzer, Sänger, Sekttrinker. Und auch nicht aktiver Feuerwehrmann, obwohl mir die Feuerwehr am Herzen lag und ich im übertragenen Sinne ja manchmal vielleicht doch so etwas wie ein Feuerwehrmann war. Aber eines vor allem wollte ich nie sein: Mitläufer. Und so war ich an verschiedenen Stellen der Einzige, der allein den Arm hob oder nicht hob, der „Nein“ sagte, wo alle anderen „Ja“ sagten. Manchmal war es auch ein „Ja“, wo sich sonst keiner meldete. Und ich habe nie Beifall geklatscht, um nicht an der falschen Stelle zu klatschen.
Am Ende mag über allem das Urteil stehen: Er hat sich bemüht. Mehr nicht. Das reicht. Als Arbeitgeber weiß ich, dass, wenn dieser Satz im Arbeitszeugnis steht, es eher einen negativen Grundton hat. Mehr war nicht. Er hat sich bemüht.
Da waren seine Möglichkeiten begrenzt. Da fehlte es an Ehrgeiz, an Phantasie, an Einsatz. Aber darauf kommt es hier nicht an, denn es kommt auch heute trotz allem bisher Gesagtem nicht auf mich an und auf meine Leistung oder mein Unvermögen in den Jahren. Die Grundlage von allem ist eine andere. Und da sind wir bei der Taufe und bei meinem Taufspruch: Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade (Hebräer 13,9). Viele wissen aus den Jahren, wie wichtig mir die Taufe ist und war, die Kindertaufe, weil sie eben deutlich macht: Der Anfang und die Grundlage von allem liegt nicht bei uns. Sie liegen bei Gott und in seiner Gnade und Zuwendung zu den Menschen, bei dem, was er schenkt und verheißt. Auf ihr baut sich alles auf. Sie gibt uns Festigkeit und Kraft und Mut. Und gern habe ja immer wieder einmal, wenn auch in vereinfachter Form den Satz von Martin Luther zitiert: Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht ist. Ein anderes Fundament gibt es nicht. Es liegt nicht an uns, unserem Glauben, unserer Leistung, unserer Phantasie, unserem Ehrgeiz, sondern ob und wann Gott die Gnade gibt, dies oder das zu beginnen oder zu beenden und auch die Früchte sehen lässt.
Und dann bin ich bei meinem Konfirmationsspruch, von mir selbst nicht ausgesucht: Kämpfe den guten Kampf des Glaubens (1.Timotheus 6,12). Da bereitete und bereitet mir gerade auch in der Gegenwart das Wort „Kampf“ schon einige Probleme. Es ist ein Wort, das ich nicht gern in den Mund nehme, aber dann ist doch die Frage: Was ist der „gute“ Kampf des Glaubens? Wie sieht er aus? Wie und mit welchen Mitteln wird hier gekämpft und um welches Zieles willen? Es ist doch kein Kampf, bei dem Schwerter oder Messer, Raketen, Bomben oder Schusswaffen zum Einsatz kommen sollen. Da ist Krieg kein Mittel und keine Lösung zum Frieden.
Und dann haben meine Frau Erdmute und ich wohl die richtigen Mittel für den Kampf in unserem Trauspruch gefunden, den wir uns dann selbst ausgesucht hatten und der dann auch über dem Abschied von ihr hier in der Kirche vor über vierzehn Jahren stand: Sorget nicht, sondern in allen Dingen lasst eure Bitte in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden (Philipper 4,6). Ja, da haben wir es gefunden: im Gebet und im Dank und im Vertrauen, alle Dinge vor Gott bringen und ihm anvertrauen zu können, es in seine Hände zu geben: Er wird’s wohl machen und zu einem guten Ende bringen. Dein Wille geschehe.
Und dann war da der Spruch zur Ordination: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2.Timotheus 1,7). Ja, durch diesen Geist habe ich mich leiten lassen, mit der Liebe zu den Menschen hier, zu Euch, der Besonnenheit des Nachdenkens und Arbeitens, aber auch mit der nötigen Geduld, Ausdauer und Hartnäckigkeit. Und daneben steht das Evangelium, über das Erdmute und ich in unserem gemeinsamen Ordinationsgottesdienst am 26.Oktober 1986 hier in der Kirche auch gemeinsam gepredigt haben: die Geschichte vom Seewandel des Petrus, die wir als Evangelium gehört haben. Petrus, der den Mut hat, aus dem Boot auszusteigen und auf dem Wasser des aufgewühlten Sees Genezareth auf Jesus zuzugehen, aber dann, als er auf den Wind und die Wellen schaut, doch unterzugehen droht, bis er zu Jesus ruft und der ihm seine Hand ausstreckt:
Fürchte dich nicht. Ja, manchmal ging es mir auch so, dass ich unterzugehen drohte unter der Flut an Arbeit, an Erwartungen, an Sorgen, an Enttäuschung über mich selbst, über die Situation in der Gemeinde oder einzelne Menschen, über den Weg der Kirche. Da schienen der Mut und die Kraft zu fehlen, und es ging dann doch weiter bis heute.
Ich wurde gehalten, getragen, aufgefangen. Da war der Geist wieder da, der Kraft, Liebe und Besonnenheit schenkt, der fähig macht, weiterzukämpfen, zu streiten, nicht nachzulassen im Aufbau und Dienst. Da wurde das Herz wieder fest. Und so kommt noch ein Bibelwort dazu, das mir wichtig ist: Dennoch bleibe ich stets an dir,
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du führst mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an (Psalm 73,23+24). Und dieses Wort mag so über dem heutigen Tag und dem Ende meines Dienstes hier in der Gemeinde stehen. Ich danke noch einmal allen. Doch es geht nicht um mich.
Es geht um den Weg der Gemeinde und der Kirche durch die Zeit.
Es geht um den Frieden Gottes in der kleinen wie in der großen Welt. Und so wünsche ich der Gemeinde und Euch als Einzelnen, dass es gelingt, sich an dem einen oder anderen Bibelwort, das hier genannt wurde und das mir wichtig war, auch sich selbst festzumachen und sich aufrichten zu können; darauf zu setzen und darauf die Zukunft zu bauen; nicht müde, verbittert oder enttäuscht zu werden; nicht zu verzweifeln, wenn die Wellen hochschlagen und Sturm ist; wenn der Weg einmal zu beschwerlich ist oder die Früchte nicht so recht wachsen wollen.
Das Fundament von allem ist nicht unser Bemühen, nicht unsere Leistung, unsere Kraft, unser Einfallsreichtum. Es ist die Gnade Gottes, in der alles gründet und wurzelt und von woher wir immer neue Kraft schöpfen können als junge Pflanze und Baum oder als alter und knorriger, mit schon manchen Spuren der Zeit und des Lebens, die an ihm abzulesen sind. Das war’s. Er hat sich bemüht, auch heute. Amen.
Ich danke allen herzlich für Ihre Grüße, guten Wünsche und Geschenke zu meiner Verabschiedung in den Ruhestand.
Ein besonderes Dankeschön allen, die den Abschied am 13.Oktober mit vorbereiteten und mitgestalteten.
Ihr Pastor i.R. Hartmuth Reincke